Über Gefühle reden

Frauen sind in der Regel die kommunikativeren Menschen. Warum das so ist, dafür hat sich die Wissenschaft eine Erklärung zurechtgelegt. Das menschliche Gehirn ist in 2 Hemisphären unterteilt. In der rechten Gehirnhälfte sind die Gefühle untergebracht, in der linken sitzt das Sprachzentrum. Das Corpus Callossum, ein Verbindungsstrang zwischen diesen beiden Gehirnhälften, ist, warum weiß man nicht, bei Frauen in der Regel stärker ausgebildet. Deshalb scheinen Frauen Gefühle schneller in Sprache übersetzen zu können. Wohlgemerkt: Männer haben die gleichen Gefühle wie Frauen, Männer können genauso fühlen wie Frauen. Nur sie in Sprache umsetzen, das können sie in der Regel nicht so schnell. Aus diesem Grund tragen sie ihre Gefühle nicht auf der Zunge. Und was länger braucht, übt man nicht so gerne.

Nun ist es aber wichtig in einer Partnerschaft, dass man sich öffnet. Dass man Gefühle zeigt. Nirgendwo sonst in unserer heutigen Zeit ist das erwünscht und meist auch nicht möglich. Im Arbeitsleben interessiert sich in der Regel keiner dafür, was ein Kollege oder Geschäftspartner fühlt. In der intimen Beziehung ist Raum dafür und es ist sogar notwendig. Nur wenn der Partner/die Partnerin weiß was ich fühle, kann er/sie einschätzen wie es mir geht, welche Beweggründe ich habe, so oder anders zu reden bzw. zu handeln.

Gefühle ausdrücken kann man lernen, kann man üben. Häufig muss man sich aber erst erlauben, Gefühle zu haben. Auch das ist nicht selbstverständlich. Wir leben in einer Zeit, in der zwar viel Werbung mit Gefühlen gemacht wird, deshalb aber noch lange nicht erwünscht ist, welche zu haben. Viele Menschen lernen regelrecht, Gefühle zu unterdrücken. Aber alles, was unterdrückt wird, hat die Tendenz am falschen Ort und zur falschen Zeit hochzuschießen. Oft für den Anlass dann recht unangemessen.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Verhalten und Gefühl. Unsere Gefühle steuern unser Verhalten. Fühle ich mich wohl, ist mein Verhalten angemessen und erfolgsorientiert. Bin ich enttäuscht oder ärgerlich (weil verletzt), reagiere ich eher aversiv, d.h. mein Verhalten wird von Wut oder Rückzug gesteuert. Das geschieht meist unbewusst. Mache ich mir aber meine Gefühle bewusst, kann das Verhalten angepasst werden.

Ein Beispiel:

Ein Paar hat die Abmachung getroffen, sich gegenseitig in Haushalt und Kindererziehung zu unterstützen. Nehmen wir an, der Mann ist ganztags berufstätig, die Frau arbeitet vormittags, wenn die Kinder in Kindergarten bzw. Schule sind und versorgt sie nachmittags. Als Ausgleich bekommt jeder einen Abend in der Woche frei für Sport bzw. Treffen mit Freunden bzw. Freundinnen. Die Abmachung besagt, dass an diesem Abend der Mann dafür sorgt, dass die Kinder zu Abend essen, ins Bett gehen und er Küche und Wohnzimmer aufräumt.

Die Frau erlebt nun immer häufiger, wenn sie abends nach Hause kommt, dass Küche und Wohnzimmer noch nicht aufgeräumt sind und der Mann vor dem Fernseher eingeschlafen ist. Nun könnte die Frau ärgerlich reagieren, mit Vorwürfen oder Nörgelei: "Einmal wenn ich weggehe... , nicht einmal das bisschen kannst du aufräumen...., immer muss ich deine Sachen wegräumen...", etc. Der Mann hilft sich mit Rechtfertigungen oder Gegenvorwürfen: "Mach doch aus einer Mücke keinen Elefanten ..., woanders braucht der Mann überhaupt nichts zu machen..., Du machst dir das Leben leicht...". So eine Situation kann schnell eskalieren und sich im Kreis drehen. Auf Vorwurf kommt Gegenvorwurf bis sich Resignation einstellt.

Aber was ist genau passiert? Die Frau war ärgerlich und enttäuscht. Sie hatte einen netten Abend und freute sich ihrem Mann davon zu erzählen, den Abend ausklingen zu lassen und dann Schlafen zu gehen. Der Mann war müde und geschafft nach der Arbeit. In letzter Zeit waren die Anforderungen besonders hoch. Auch heute war vielleicht ein besonders anstrengender Tag gewesen. Er schob seine Arbeit zu Hause hinaus, weil er sich erst ausruhen wollte. Darüber ist er eingeschlafen.

Wie hätten beide reagieren können? Sie: "Oh, wie sieht es denn da aus? Das gefällt mir aber gar nicht. Das ist in letzter Zeit schon ein paar Mal gewesen, dass es so aussah, wenn ich heimkam. Was ist da los?" Er: "tut mir leid. Ich war müde und geschafft vom heutigen Tag. Ich wollte es ein bisschen später machen und bin eingeschlafen. Zur Zeit ist es besonders schlimm in der Arbeit." Die Frau ist dann vielleicht trotzdem noch ärgerlich, aber beide können eine konstruktive Lösung finden. Indem der Mann erzählt, wie es ihm momentan geht, kann sie ihn verstehen und muss das Geschehen nicht interpretieren, z.B. als mutwillig gegen sie gerichtet, weil er ihren freien Abend boykottieren wolle.

Wenn ich mir oder meinem Partner gegenüber meine Gefühle benenne, weiß der erstens, was gerade mit mir los ist und kann damit umgehen und zweitens kann ich selbst es reflektieren. D.h. auch ich kann mein Verhalten dann bewusst steuern, indem ich vielleicht sage: "Das hat jetzt nichts mit dir zu tun, aber ich ärgere mich..." Oder sollte es doch durch den Partner ausgelöst worden sein, kann ich es konkret machen: "Ich ärgere mich, weil die Abmachung, die wir ausgehandelt haben, nicht eingehalten wurde." So konkret kann der Partner darauf reagieren und muss sich nicht in seiner Persönlichkeit angegriffen und abgewertet fühlen. Wenn das Gefühl benannt wird, kann es effektiver um den Sachverhalt gehen.

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